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Eine Bildungseinrichtung für Hunde?

Autorenbild: Joy KälinJoy Kälin

Haben wir nun schon einen Bildungsauftrag für Hunde?


Was seltsam klingen mag, möchte ich gerne umformuliert erklären.

Dies bedeutet jede erwachsene Person, die einen Hund hält oder führt, hat einen Erziehungsauftrag für selbigen.

Im Einzelnen bedeutet dies für mich als hundehaltende Person, dass ich meinen Hund so durch das Leben (meines, seines und das aller Lebewesen, die mit uns in Kontakt kommen) und den Alltag führen und begleiten kann, das dieser keine Gefahr für Umwelt, Mitmenschen, Artgenossen und weitere Tiere darstellt. (Uff!)



Differenziert betrachtet bedeutet dies aber auch, dass der Hund durch die intensive jahrzehnte- bis jahrhundertelange Selektion an unsere menschlichen Bedürfnisse (alle Formen und Stadien der Jagd, Schutz von Hof und Land, Bewachen von Haus und Familie, Schutz der Herden, Arbeit in der Herde etc.) ein Profi in seinem Arbeitsfeld geworden ist. Diese Spezialisierung auf besondere Fähigkeiten und Fertigkeiten (körperlich, in der Wahrnehmung und im allgemeinen Wesen) ist durch die lange Selektion auf besonderen Merkmalen genetisch verankert.


Was nun schwarz auf weiss, mit Permanent Marker in die DNA unseres Hundes geschrieben ist, macht ihn potentiell zu einem wahrhaftigen Spezialisten. Das kann Fluch und Segen zugleich bedeuten. Tatsächlich nicht nur für uns Hundehalter, sondern auch und oft besonders für den Hund!

Der Dackel/der Beagle/der Vizsla, (platzhaltend für unendlich viele weitere tolle Hundetypen) meines Kunden, der in Wald und Flur mehr oder weniger selbstständig seiner Arbeit nachgeht, ist also harmlos und völlig gewöhnlich?

Was ist aber mit dem Rottweiler, der keinen Besuch ins Haus lässt, dem Border Collie, der die Besuchskinder geduckt durchs Haus scheucht und abgrenzt, dem Galgo, der bei jedem Spaziergang wortwörtlich nur noch Augen für den abendlichen Rehbraten hat?

Sind diese Hunde und deren häufig beobachtetes Verhalten also harmlos und gewöhnlich?

Primär und vom evolutionsbiologischen Standpunkt gesehen- Ja!
Sekundär und aus dem Blickwinkel des Hundehalters betrachtet- Nein...

Eine genetische Anlage, die unterschiedlich spezialisiert ausgeprägt in einem Hund verankert ist, kann durchaus zu einem Problem werden und schlimmstenfalls in einer Katastrophe gipfeln.

Weil der Hund tut was er seit Jahrhunderten tut?- Jein.

Mitunter weil unsere Umwelt nun einmal mehrheitlich nicht (mehr) dem Arbeitsumfeld einer Arbeitsrasse entspricht. Weil leider aber auch Hundehalter uninformiert in den neuen Lebensabschnitt mit Hund gehen, teilweise aber auch schlecht oder tatsächlich falsch angeleitet werden.

Letztlich müssen wir uns bewusst sein, dass jeder Organismus in Situationen, die einen Überlebensmechanismus aktivieren ("fight or flight") auf das zurückgreifen was verfügbar ist. Ein Überleben einer Spezies wäre sonst nicht möglich. In einer Vielzahl von Situationen und natürlich gerade im äussersten Fall wird diese Verfügbarkeit von der genetischen Disposition ausgehen.

Das Ausmass des Schadens kann gross sein: verletztes oder gerissenes Wild, Verkehrsunfälle durch freilaufende und jagende Hunde, die absolut nicht abrufbar sind, Personenschäden durch Hundebisse, verletzte oder gar getötete Artgenossen und vieles mehr.

Da erscheinen zerschretterte Sitzgarnituren und Schuhe, Bellkonzerte, Hochspringen zur Begrüssung, endlose Patrouillen am Gartenzaun und Weiteres erst einmal gar nicht mehr so schlimm.

Zumal dies ja ein normales Verhalten zu sein scheint: aufgrund der gentischen Veranlagung, die der Hund in einer Reinzucht oder noch spannender durch die Vermischung verschiedener Dispositionen bei Rassemischlingen, mitbringt und in unterschiedlicher Intensität auslebt.

Ob dies fehlgeleitet und im Einmann-Kommando oder durch seinen Hundehalter angeleitet in einem sicheren Rahmen, der Umwelt sowie Hund und Halter keinen Schaden bringt geschieht liegt in unserer Verantwortung.


Eine bildliche Anschauung dieser Komplexizität:

Die Konzentration und grazile Körperbeherrschung, die Wendigkeit und Schnelligkeit, die ein Border Collie im Agility-Wettkampf zeigt; die völlige Hingabe, den endlosen Mut und die geballte Kraft, mit der ein belgischer Schäferhund in einem Einsatz der Polizei jederzeit bereit ist alles für seinen Hundeführer zu geben, kommt definitiv nicht von ungefähr. Hier ist uns bewusst dass es sich um Hochleistungs-Sportler und tierische Einsatzkräfte handelt- potentiell diese Hunde in entsprechenden Institutionen sogar als Waffe gehändelt werden.

Hier ist die Begeisterung der allgmeinen Gesellschaft oft gross. Leisten diese Hunde schier Unglaubliches. Mitunter auch für unsere Bevölkerung, das Militär, die Regierung. Doch die Frage am Ende des Tages ist, ob die Händelbarkeit für den durchschnittlichen Hundehalter gegeben ist.



Welche Lösungsansätze kann uns ein kompetenter Hundetrainer anbieten?

Es ist durchaus möglich auch Arbeitsrassen-(mischlinge) sinnvoll zu fordern, wenn gewünscht seinem Potential entsprechend zu fördern, annähernd seinen genetischen Anlagen entsprechend auszulasten und im Alltag einen entspannten Hund mitzuführen.

Ein gut ausgebildeter Hundetrainer hat einen grossen und aktuellen Kenntnisstand über die verschiedensten Hunderassen-/Typen und deren Bedürfnisse, die moderne Psychologie des Hundes, Sachverstand um Verhaltensweisen und das Wissen und die Fähigkeit der Beurteilung wann ein rassespezifisches Verhalten pathologisch, also über normales Verhalten hinausgehend, geworden sein könnte. Ein kompetenter Hundetrainer kann aus einer reich bestückten Werkzeugkiste aus diversen Arbeits- und Beschäftigungsmethoden gemeinsam mit einem engagierten Hundehalter einen gemeinsamen Alltag generieren, der funktionieren kann.

Gegebenfalls leitet er aber auch für tierärztliche Abklärungen weiter oder empfiehlt einen weiteren Trainer/Verhaltenstherapeuten, welcher in speziellen Gebieten noch mehr Expertise aufweist.

Die Einsicht, dass kompetentes Training ein neues, strukturiertes, erfülltes Leben ermöglicht ist genial. Die Akzeptanz, dass aber nicht jeder Hund mit auf den Ausflug in die volle Stadt möchte, ein Haus voller Kinder/Besuch erträgt oder auch ein wohlerzogener Hund in gewissen Situationen der Sicherung durch eine Leine bedarf, ist ebenso wichtig!

Hundehalter, lasst euch also nicht einschüchtern, den Kopf hängen oder euren Hund und eure Erfolgchancen auf ein angenehmes Zusammenleben schlechtreden.

Die wenigsten Hundehalter haben 30 Hektar Land und Forst, 200 Schafe, ein Hofgut, welches zu bewachen gilt oder die Notwendigkeit sich mithilfe verschiedener Hundetypen ihre Nahrung selbst erbeuten zu müssen und können.

In unserer heutigen Welt geht es uns doch allen ähnlich und um die Bedürfnisse unserer Hunde neu zu erfüllen müssen wir umdenken. Die bedeutet sicherlich auch ein Umdenken, ein Reflektieren des eigenen Tuns und Auftretens und der Transparenz zwischen Absicht und Umsetzung. Oft ist der erste Ansatz festgefahrene Strukturen aufzubrechen und neue Lösungen zu entwickeln. Eine stabile Führung zu erreichen ist nicht immer einfach- gewiss nicht! Wert ist dieses Ziel jede Arbeit jedoch immer.

„Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.“ (von Antoine de Saint-Exupéry) lautet mein Lieblingszitat, das für mich wunderbar anwendbar auf jede Art der Beziehung ist, ob nun zwischemenschlicher Natur, zu einem Hund oder anderen Lebewesen. In einer schnellebigen Welt sind wir scheinbar immer mehr zur Wegwerfgesellschaft verkommen. Umso mehr ist es wert Verantwortung zu übenehmen- für das was wir uns vertraut gemacht haben.

Für einen verstandenen Hund, der sich in einem psychisch und physisch ausgeglichenen Zustand befindet. Und letztlich selbstverständlich auch um für die Umwelt, unsere Mitmenschen und das Gesetz Verantwortung zu tragen.
 

"Für einen Menschen ist die individuelle Freiheit der grösste Segen, für einen Hund wäre es Hoffnungslosigkeit." W. L. Phelbs



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